„… nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“
Die Sängerin und Brecht-Interpretin Gina Pietsch hat bei den letzten UZ-Pressefesten ihren festen Platz gehabt. Wir freuen uns sehr, dass sie auch bei den UZ-Friedenstagen dabei ist. Gina Pietsch gestaltet mit uns zwei Hauptveranstaltungen, nämlich die Friedensmanifestation am Samstag um 18 Uhr auf der Hauptbühne (zu dieser Zeit gibt es kein Parallelprogramm) und die Matinee am Sonntag um 10.30 Uhr im Münzenbergsaal zum 75. Geburtstag der DDR. Ebenfalls dort ist sie am Samstag um 20 Uhr mit dem Pianisten Bardo Henning und dem großen Antikriegsabend „… nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“
Zu diesem Programm schreibt sie selbst:
„Das große Karthago führte drei Kriege / Es war noch mächtig nach dem ersten, / noch bewohnbar nach dem zweiten. / Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“
Als ich jung war, hab ich Brecht auch wegen dieser Worte bewundert. Dabei waren sie weit weg von mir, gingen mich eigentlich nur der Historie wegen etwas an. Nun sind sie mir nah gekommen und ich frage, ob die Bellizisten in meinem Land und meiner Welt sich nicht ähnlich ängstigen wie ich. Wer hat sich nicht alles geäußert zu dieser Frage aller Fragen, also: Krieg oder Frieden? Unser Abend hätte nur mit meinem Repertoire fünf mal so lang sein können: Was haben sich die Dichter und Denker zu diesem Thema nicht alles einfallen lassen. „Friede dem Bäcker und seinen Liebschaften“, wünscht sich Neruda, „der Krieg ist abgesagt“, stellt Brecht in den Raum, „Ich bin Fan. Herr Oberst, gestatten, von Weltkrieg Nr.1“, glossiert Georges Brassens von selbigem Krieg, in dem bei dem 16-jährigen Brecht die Mütter weinten, hüben und drüben.
Nicht nur diese großen Dichter sind Warner von Kriegen.
Bellizistische Dichter hat es auch gegeben, aber erstens waren sie nicht groß und zweitens würden wir sie nicht mal mit spitzen Fingern anfassen. Die Bellizisten unter unseren derzeit Regierenden sind schon schwer genug zu ertragen.
Es ist sehr ermutigend, dass es in der Geschichte so viele Antikriegslieder und Texte gibt – nicht wenige davon entstanden unter Lebensgefahr der Autoren, aber mit großer Klugheit und beneidenswertem Mut. Die Lieder und Texte sind Zeitzeugen und Zeitgeschichte. Brechts „Ballade vom Stahlhelm“ berichtet uns von Lenins und Trotzkis Kämpfen um eine Atempause für das Proletariat. Tucholsky lässt uns teilhaben an den Ängsten von Mutter und Sohn um den Vater, der ihnen weggenommen wurde für den „Graben, Junge, für den Graben“. Das kann uns an die Tränen bringen und uns an anderer Stelle wieder die Lachtränen in die Augen treiben. Was hab ich zum Beispiel gelacht, als ich zum ersten Mal las, wie Robert Gilbert einen Justav aus seiner Stadt Berlin auffordert: „Überwinde dir, Justav, erobere nischt.“ Oder wie Tucholsky in „Statistik“ uns einen Arbeiter beibringen lässt, warum wir ein armes Land sind, na, weil wir 28.807.988 Mark allein in Preußen für Pferdezucht übrig haben und er 433 Wochen arbeiten müsste, um so viel zu erarbeiten wie der Herr Tirpitz, der die deutsche Flotte danebenorganisiert hat, als Pension bekommt. Da bekannt ist, dass unsere Millionäre und Milliardäre – 1 Prozent der Bevölkerung – 81 Prozent einstreichen vom wirtschaftlichen Gesamtgewinn, liegt Tucho 1929 immer noch richtig. Und Ossietzky hat recht, wenn er feststellt: „Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte.“
Fazit: Kriegsgewinnlern das Wasser abgraben, wenn wir Frieden wollen.
Gina Pietsch
Auf den UZ-Friedenstagen tritt Gina Pietsch im Rahmen der Friedensmatinee am Samstag, 24. August ab 18 Uhr auf der Hauptbühne auf. Um 20 Uhr ist sie im Münzenbergsaal gemeinsam mit dem Pianisten Bardo Henning und dem Programm „… nicht mehr auffindbar nach dem dritten“ zu sehen.
Am Sonntag, 25. August ist Gina Pietsch Teil der ab 10:30 Uhr stattfindenden Matinee „Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR“ zum 75. Geburtstag des einzigen Friedensstaats auf deutschem Boden.