Wo geht’s hier aus der Hölle raus?

Frühschoppen der Peter-Hacks-Gesellschaft und der DKP, 28. August, 10.00 Uhr, maigalerie (junge Welt, Torstraße 6) zur halbszenischen Lesung „Orpheus in der Unterwelt“ (27. August 2022, 19.30 Uhr im Kino Babylon)

Für die einen ist sozialistische Zukunftsperspektive eben das: Zukunftsmusik, die erst noch komponiert werden muss, für die anderen ist sie bereits verklungen… Der Kommunist, Dichter und Dramatiker Peter Hacks hat das Lied des Sozialismus immer gesungen – im Chor mit jenen, die den Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik aufbauten und lebten – aber einem Hacks versagte die Stimme auch nicht, als der Sozialismus aus Europa vertrieben wurde, als sich die kapitalistische, imperialistische Hölle wieder auftat und die Länder des Warschauer Staates verschlang: verhökert für leere Versprechen und falsche Hoffnungen… In der antiken Sage heißt es, auch als die eifersüchtigen weil zurückgewiesenen Furien Orpheus zerrissen hatten, sang sein ins Meer geworfener Kopf noch immer weiter… Wirklich ist das Lied des Sozialismus in der Welt keinesfalls verklungen, es wird mit Macht gesungen beim weiteren Aufbau des Sozialismus und von jenen auch, die ihn in der Zukunft aufbauen müssen.

Kurze Zeit nach dem Sieg der Konterrevolution in Osteuropa, mit Anschließung der DDR an die BRD, schrieb Peter Hacks 1994 im Auftrag des Deutschen Theaters Berlin seine Neubearbeitung von Offenbachs klassischer Operette „Orpheus in der Unterwelt“ als geistreiche Satire auf diese „Wende“ – eine, die sich wiederum wenden kann. Das Stück wirft mit seiner Handlung die akuten Fragen unserer gesellschaftlichen Gegenwart auf, mit Witz und Biss ist es keine vordergründige Agit-&-Propaganda-Show, allerdings politische Kunst vom Feinsten. Wie dem Reiz von Orpheus‘ Gesang kann wohl niemand dem kommunistischen Humor von Hacks‘ Dramatik widerstehen.

Das in Erinnerung an den größten Theatererfolg der DDR-Kultur, die Adaption von Offenbachs Operette „Die schöne Helena“, mit der Hacks den Sozialismus in der DDR einst auf der Bühne des DT und den werktätigen Publikumsmassen aus der halben Republik gefeiert hatte, Werk wurde von der Theaterleitung des gewendeten DT zwar angenommen und bezahlt, aber nie aufgeführt. Das Lied vom Ausstieg aus der kapitalistischen Hölle sollte in der gesamtdeutschen Hauptstadt nicht gesungen werden.

Die Uraufführung der marxistischen Operette für Schauspieler fand erst 1998 im Bitterfelder Kulturpalast statt, inszeniert von Jens Mehrle und Stefan Nolte. Nun wird beim UZ-Pressefest das Werk von Mehrle künstlerisch geleitet auf der Bühne des Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz mit einem Ensemble halbszenisch gelesen und gesungen. An der Darbietung in Kooperation mit der Peter-Hacks-Gesellschaft beteiligt sich dieses mal auch der Ernst-Busch-Chor, der schon bei einem Berliner Gastspiel der Uraufführungsproduktion 2003 mitgewirkt hatte.

Diese Vorstellung und vor allem die Fragen, die Hacks/Offenbachs neuer „Orpheus in der Unterwelt“ politisch, ideologisch, ästhetisch, sozial, existentiell uns immer eindringlicher stellt, sollen bei einem Frühschoppen am Sonntag, 28.8.2022 (dem 19. Todestag von Peter Hacks!) um 10.00 Uhr in der maigalerie der jungen Welt in einem Publikumsgespräch diskutiert werden. Es sind die Fragen, die uns Kommunisten umtreiben. – Herzliche Einladung!

Podium: Patrik Köbele (DKP), Jens Mehrle (Regisseur, Peter-Hacks-Gesellschaft), Dr. Detlef Kannapin (Publizist, Peter-Hacks-Gesellschaft), sowie Mitwirkende der Vorführung, inkl. vom Ernst-Busch-Chor / Moderation: Olaf Brühl

Detlef Kannapin: Vernunft im Passiv

»Vernunft im Passiv. Standpunkte beim Studium des Klassenkampfs«
2022

Wie geht zu leben in Zeiten zerstörter Vernunft? Wie frei können Medien im Zeitalter des Monopolkapitalismus sein? War Schostakowitsch wirklich Dissident? Was steckt drin im Marvel-Universum? Welches Verhältnis haben Politik und Philosophie bei Hans Heinz Holz?

Mit »Vernunft im Passiv« setzt Detlef Kannapin sein »Studium des Klassenkampfs« fort, das er 2015 mit »Vernunft im Abseits« begonnen hatte. Wenn die Vernunft vom Abseits ins Passiv gerät, scheint die Weltlage nicht besser geworden zu sein. Doch die Verschärfung der Widersprüche im Kapitalismus darf nicht zur Entschärfung des Denkens, das Fehlen einer wirksamen politischen Gegenkraft nicht zur Aufgabe des Kämpfens führen.
https://www.eulenspiegel.com/verlage/aurora/titel/2447-vernunft-im-passiv.html

Detlef Kannapin: Vernunft im Abseits

»Vernunft im Passiv. Standpunkte beim Studium des Klassenkampfs«
2015

Radikalisierter Klassenkampf von oben, befriedeter Klassenkampf von unten – das ist die Signatur unseres restaurativen Zeitalters. Und obwohl die Kapitaleigner sehr siegesgewiss durch die Gegend flanieren, bleibt das Schlachtfeld solange offen, wie sich Reste einer Fundamentalkritik erhalten. Die hier versammelten Aufsätze verstehen sich als An- und Aufregung, in den restaurativen Zeiten mit sinnvoller Lektüre zu überwintern. In ihnen geht es hauptsächlich um die Funktion des Staates bei der Wiederherstellung eines vernünftigen Gemeinwesens und die Dinge, die dieser Absicht in Philosophie, Politik, Medien und beim Personal entgegenstehen.

Die Vernunft aus dem Abseits wieder herauszuholen ist zur Zeit der dringendste Appell an kritisches Denken.
https://www.eulenspiegel.com/verlage/aurora/titel/vernunft-im-abseits.html

Detlef Kannapin

Detlef Kannapin, geboren 1969, Filmhistoriker und Publizist, war von 1999 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter der DEFA-Stiftung und arbeitet seit 2007 als wissenschaftlicher Referent im Deutschen Bundestag. Seit 2011 ist er Kurator der Filmreihe »3 D – Deutsche Demokratische Dokumente« der Peter-Hacks-Gesellschaft. Zuletzt erschienen: »Vernunft im Abseits. Aufsätze zum Studium des Klassenkampfs« (2015) und »Im Maschinenraum der Filmkunst. Erinnerungen des DEFA-Chefdramaturgen Rudolf Jürschik« (2021).
https://www.eulenspiegel.com/verlage/aurora.html